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Nacht für Nacht, viele Hundert Mal, hat er diesen Traum geträumt, in dem er morgens aufsteht, doch fehlt ihm ein Bein, es liegt noch im Bett. Also wickelt er das Bein in ein Stück Zeitungspapier und humpelt damit zum Arzt. "Der hält das einfach nur so dran und guckt – alles ist wieder gesund."

Selten nur hat Joseph Beuys von dem Traum erzählt, davon, wie schrecklich er war, aber auch wie tröstlich. "Brauchst keine Angst zu haben", so seine Deutung der Geschichte. "Man kann alles heilen.

Der junge Joseph Beuys wollte Kinderarzt werden, seine Eltern hingegen, daheim in Kleve am Niederrhein, planten für ihn eine Zukunft in der örtlichen Margarinefabrik, denn dort, op de Botter, würde bestimmt etwas werden aus dem Jupp. Und wirklich, er würde im Fettgeschäft Karriere machen, allerdings ein wenig anders als gedacht. Auch ein Arzt sollte er später sein, jedenfalls verstand er sich so: als Wunddoktor einer geschundenen Gegenwart, auserkoren, die Welt mit sich selbst zu versöhnen. "Man kann alles heilen."

Spätestens in den Siebzigerjahren war Joseph Beuys zum Inbegriff des modernen Künstlersgeworden, bedingungslos verehrt und ebenso hingebungsvoll gehasst. Viele verhöhnten seine Kunst als den "teuersten Sperrmüll aller Zeiten". Und laut war das Gelächter, als zwei Frauen eine mit Fett, Filz und Pflastern versehene Beuys-Badewanne gründlich sauber schrubbten. Endlich Schluss mit dem Schmodder, als Kunst war das ja eh nicht zu verstehen.Gerade das Unverständliche aber kam seinen Anhängern verlockend vor, ihnen gefiel die Vorläufigkeit vieler Werke, das Spielerische und Provokante. Vor allem aber war es die Aura des Künstlers, die viele Menschen anzog: Beuys war so herrlich anders, ein Quirlgeist, der die Deutschen von ihrer inneren Enge erlösen wollte. Ein Prophet mit Hut und Anglerweste, der allen verhieß, sie seien zur Kunst berufen und könnten frei sein wie er: "Jeder Mensch ist ein Künstler."